Mülheim - Das Aachener Ensemble „Sprachröhre“ inszenierte Schauergeschichten mit Musik des 20. Jahrhunderts. Leise rezitiert ein Sprecher aus dem Off das Gedicht „The Raven“ (Der Rabe) von Edgar Allan Poe (1809-49). Da huscht etwas über die schwarze Bühne im Kulturbunker. Zwei junge Musikerinnen in feuerroten Turnanzügen (Flöte: Julia Breuer, Klarinette: Friederike Roth) treten wie verängstigt auf. Das gibt schon ihrer spritzigen Eingangsmusik etwas Doppelbödiges. In dunklem Mantel tritt der Erzähler vor und kündigt Schauriges an: „Die Maske des Roten Todes“..
Er beginnt zu lesen, die Musikerinnen erstarren. Später fügen sie weitere kurze Duette ein, in die wohl berühmteste Erzählung des Amerikaners. Sie spielt zur Zeit einer verheerenden Seuche. Der Rote Tod rafft alle hin. Da schottet sich Prinz Prospero mit Gefolge in einem exquisiten Schloss ab .. Der Schaupielstudent Sebastian Bente spricht gewählt, abschätzig, wie ein Snob. Nur der Schlag der Uhr lässt die Luxusgesellschaft jede Stunde kurz innehalten ..
Schaurig, diese „Grusellesung“. Das Aachener Ensemble Sprachröhre verbindet Poes Texte mit Duetten von Jolivet, Scelsi, Carter, Villa-Lobos und Francaix, also viel jüngerer, auch spröder neuer Musik. Dazu weckt die Dichtung Bilder im Kopf, eigentümliche Assoziationen .. Die Künste ergänzen einander. Ein lohnendes Experiment.
(Kölner Stadt-Anzeiger, Marianne Kierspel)